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"In 20 Jahren hatte ich
zehn Identitäten."

Sebastian W. (57) über seine Zeit als Verbindungsführer.

Nahaufnahme eines älteren Mannes mit verschränkten Händen

Einstieg in den 90ern

Quelle: istock.com/dongseon_kim leerer Klassenraum

„Ich wurde kurz nach dem Fall des Eisernen Vorhangs, also Anfang der 90er Jahre, im gehobenen Dienst eingestellt und war zunächst vier Jahre in einem auswertenden Bereich tätig. Als Analyst fragt man sich immer mal wieder, wie die Informationen, die man bekommt, genau zustande kommen. Das hat meine Neugier geweckt.

Meine zweite Verwendung sollte deshalb unbedingt eine operative Tätigkeit sein. Jeder angehende Operateur durchläuft zuerst eine intensive Ausbildungsphase. Innerhalb mehrerer Monate wurde ich auf die operative Arbeit vorbereitet.

Da ich nach der Ausbildung in den HUMINT-Bereich sollte, es also offenbar um das Führen menschlicher Quellen ging, wurde hierauf ein besonderer Schwerpunkt gelegt.

Schule der Spione

Während der Ausbildung hatte ich dann tatsächlich manchmal das Gefühl, in einem Spionage-Roman zu leben: Wir haben gelernt, wie man Leute verfolgt und Verfolger abschüttelt.

Sebastian, Operateur beim BND:

„Wir haben gelernt, wie man Leute verfolgt und Verfolger abschüttelt."

Es ging auch darum, wie man potenzielle Quellen von einer Zusammenarbeit überzeugt und dafür sorgt, dass die Kommunikation mit den Quellen absolut sicher ist – schließlich besteht immer die Gefahr, dass unsere Quellen im Ausland wegen Geheimnisverrat verhaftet werden.

Etwas weniger spannend, aber natürlich genauso wichtig war die Theorie – von den rechtlichen Grundlagen bis zu den behördlichen Dokumentationspflichten -, die jede operative Handlung begleitet.

In der Praxis

Dies und noch viel mehr konnte ich dann in der Praxis anwenden und vertiefen. Insgesamt war ich dann 20 Jahre als Operateur tätig, habe in dieser Zeit zehn verschiedene Identitäten angenommen und eine größere Zahl von Quellen selbst angeworben und geführt.

Nur sehr wenige Kollegen machen das so lange, aber für mich war das der perfekte Job und zweifellos die interessanteste und auch forderndste Zeit meines beruflichen Lebens. Leider darf ich hier nicht aus dem „Nähkästchen“ plaudern und Details zu den einzelnen Operationen verraten. Zum einen leben meine ehemaligen Quellen noch und zum anderen müssen wir unsere operativen Herangehensweisen vertraulich behandeln – das ist schließlich unser wichtigstes Know-How.

Am meisten habe ich die Selbstständigkeit bei der Arbeit in kleinen Teams genossen. Außerdem habe ich natürlich viel von der Welt gesehen und oft war es auch der Nervenkitzel, der mir gefallen hat.

James Bond und ich

Wer hier an James Bond denkt, liegt aber völlig falsch: Als Operateur beim BND braucht man vor allem ein Gefühl für Verantwortung. An oberster Stelle steht für uns die Sicherheit unserer Quellen. Eine halbe Stadt zu verwüsten, wie man es in den ersten Minuten von „James BondSpectre“ sehen kann, ist da aus nachrichtendienstlicher Sicht – gelinde gesagt – etwas ungeschickt. Auch hat der BND keine exekutiven Befugnisse und schon gar nicht eine „Licence to Kill“.

Ich kann jeder jungen Kollegin und jedem jungen Kollegen nur raten, sich möglichst früh ein Bild von der operativen Praxis zu machen. Die ist auch ohne Explosionen immer noch spannend genug!“